Das Konzept Geschichtenwald: Anmerkungen für Therapeuten
So, wie der Geschichtenwald beschrieben ist, erfährt und erlebt es im Allgemeinen die Patientin. Es steckt aber ein bisschen mehr dahinter. Hier einige Ausführungen, um dies zu erläutern:
Kindern und Jugendlichen Geschichten zu erzählen, ist naheliegend, den die meisten kennen dies und fühlen sich darin heimisch.
Geschichten in der Sprechstunde zu erzählen, wäre ungewöhnlich, wenn nicht eine therapeutische Absicht dahinter wäre. Wo käme man sonst hin, und wer würde das bezahlen?
So wird denn die therapeutische Absicht in eine Geschichte verpackt.
Die Geschichte dient als Vehikel für den psychotherapeutischen Eingriff.
Diesen Eingriff nehmen bereits fünfjährige Kinder gerne an, trennen sich dafür vorübergehend freiwillig von der sonst umklammerten Mutter und freuen sich auf die nächste Geschichte. Im Gegensatz zu den üblichwerweise erlittenen Impfungen (als Beispiel) erfährt das Kind die Begegnung im Rahmen einer Geschichte als weitestgehend positiv, was die therapeutische Beziehungsqualität entschieden verbessert
Damit die therapeutische Absicht in hohem Masse umgesetzt werden kann, genügt es nicht, einfach Geschichten zu erzählen. Eine Steigerung der Wirkung lässt sich einerseits durch die Wahl der Geschichte erzielen, andererseits durch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird.
Zur Wahl der Geschichte: Eine altersentsprechende Geschichte darf ein Thema berühren, das dem Patienten in ähnlicher Weise bekannt ist. Das kann ein ganz allgemeines Thema sein oder ein spezifisches Problem. Für das Problem des Patienten steht die Metapher: Die Ähnlichkeit wird unbewusst erfasst, und durch Übertragung werden die Auseinandersetzungen des Protagonisten in der Geschichte miterlebt, was zu Lösungsansätzen für das bestehende Problem führt.
Beispiel: In der traurigen und doch versöhnlichen Geschichte der kleinen Schildkröte steht ein zentraler Satz: "Schildkröten haben keine Eltern". Das tönt so banal, ist es aber nicht, denn natürlich haben auch Schildkröten Eltern, aber die sind nie da, wo man sie brauchen könnte. Patienten, die einen Elternteil vermissen oder sich mit den Eltern überhaupt nicht mehr identifizieren können, kommen nicht nur ins Grübeln, sondern profitieren von der Fortsetzung der Geschichte, auch wenn sie sehr einfach ist. Für eine Patientin im rebellischen Pubertätsalter scheint die Geschichte nicht altersentsprechend, sie wird es aber schlagartig, wenn in leichter Trance via Zeitrad oder sonstwie eine Regression ins Kindergartenalter gesetzt wird.
Zur Art und Weise, wie: Ja, langsam und mit Pausen, aber das allein genügt nicht. Bei geübten Patienten oder unbelasteten Naturtalenten kann man zwar einfach zu erzählen beginnen, und die Trance kommt von selbst. Die Trance ist Voraussetzung dafür, dass die Geschichte nicht einfach zur beruhigenden Unterhaltung wird, sondern in die Tiefe geht und dort verarbeitet wird.
Bewährt hat sich mein Konzept vom Geschichtenwald. Das Ganze spielt sich so ab:
1. Patient geht durch adaequate Induktion in Trance und an einen "safe place" und ruht einen Moment.
2. Patient wird von mir oder vom namenlosen Engel oder von einem ihm bekannten "Helfer" im sp abgeholt und zur Blumenwiese geführt.
3. Von der Wiese geht's zum gemütlichen Wald. Im Wald ist ein Weg mit mindestens einer Weggabelung, einem Waldhaus auf der einen Seite, einem Geschichtenplatz auf der anderen, und am Ende des Waldes ein paradiesischer Meeresstrand.
4. Irgendwo unterwegs wird eine Geschichte erzählt
5. Nach der Geschichte geht's retour zum sp, wo nach kurzer Besinnung die Rückkehr ins hier und jetzt erfolgt
Diese Strukturierung bringt Vorteile: Der Patient fühlt sich sicher. Er lernt den Wald kennen und fühlt sich dort wohl. Noch wohler fühlt sich der Therapeut, weil die Geschichten nun nicht einfach in der Luft liegen, sondern geordnet lokalisiert sind. Das merkt man nicht nach der ersten oder zweiten Geschichte, aber mit der Zeit wird es eine Erleichterung. Man kennt sich gegenseitig und erkundet zu zweit den Wald mit seinen Geschichten...
Selbstredend sind der Gestaltung der Geschichtenlandschaft keine Grenzen gesetzt, im Gegenteil, die Fantasie hat freien Lauf...
Um eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema kommt man nicht herum. Fundierte Grundlagen in:
"Klinische Hypnose und Hypnotherapie", von Agnes Kaiser Rekkas
"Therapeutische Metaphern für Kinder und das Kind in uns", von Joyce C. Mills und Richard J.Crowly
"Ein Zauberring für Anna", Von Doris Brett
weitere Geschichtenquellen: hier
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