Die zwei Ewigkeiten


Auf unserer Reise durch den sphärischen Wirbel zwischen den Polen ansässig, erblicken wir in jedem Ende unseren Ursprung und unser Ziel.

Es zieht uns in beide Richtungen, denn die von manchen Psychologen beschriebene Sehnsucht nach dem Mutterschoss hat ihr Gegenstück in dem leidenschaftlichen Verlangen des Mystikers nach der Vereinigung mit Gott.
Im ersten Lebensabschnitt gehen wir mehr aus uns heraus, projizieren und entwickeln unser individuelles Ich als Grundlage, von der aus wir die Welt ringsum angehen. Wir bilden unser erstes Bewusstsein vom Selbst als eines eigenen Wesens aus.
Vom Pol aus expandieren unsere ersten Windungen. Sie fangen klein an, so dass wir zunächst weniger Zeit für einen Zyklus brauchen. Das relative Entwicklungs- und Wachstumstempo beim Kind ist anfangs von aussen gesehen erstaunlich. Die Reise, die wir als Kinder antreten - die ganze Kugel, um die wir uns winden müssen -‚ ist lang, bevor wir wieder heimkommen. Jeder Turnus oder Zyklus dauert länger. Objektiv verlangsamt sich die Entwicklung und werden die Windungen gegen den Äquator oder Wendepunkt zu allmählich immer ausgeglichener. Zweidimensional können wir dieselbe Entwicklung am Yin-Yang-Zeichen beobachten, wo beim Abschluss eines Zyklus der Keim seines Gegensatzes das Gleichgewicht umwirft und einen Richtungsumschwung bewirkt, woraufhin im Wirbel wie bei jeder Heimreise die Drehgeschwindigkeit zunimmt.


Jede Windung bezeichnet einen Einschluss und einen abgeschlossenen Zyklus in der Entwicklung des Ganzen, da aber jede ein Teil des Ganzen ist, ist der Abschluss zugleich ein Neubeginn, so dass die Spirale die Einschliessung und „Abgerundetheit“, die wir erfahren, sowie die mit jeder neuen Windung erreichten äquivalenten Punkte aufweist. Die stets wiederkehrenden Krisen und Entscheidungs-momente sind Wachstumsknoten, Initiationspunkte, die eine Erlösung von einem Seinszustand, einen Tod, markieren wie auch ein Hineinwachsen oder geboren werden in den nächsten. „Wie oft“, sagt Yeats, „lebt und stirbt doch der Mensch zwischen seinen zwei Ewigkeiten.“


Die meisten Überlieferungen, Mythologien, Religionen und Legenden beschreiben diese zwei Ewigkeiten, die zwei Enden der Lebensspirale. So ist psychologisch gesehen das, wovon wir uns so widerwillig trennen, die undifferenzierte Matrix des Unbewussten, ein in vor-ich-haften Erinnerungen an den feuchten Urgrund unseres Lebens im Mutterschoss schwelgendes Sein. Hier erscheint alles leicht und vollkommen, ewig und unsterblich; dies war das goldene Zeitalter und das Paradies, aus dem wir vertrieben wurden.


Die Morgenröte des Bewusstseins war ein Selbst-Bewusstsein. Da wir vom Baum der Erkenntnis assen, sahen wir uns zum ersten mal objektiv von aussen und daher nackt. Dies war das erste Anzeichen unserer Entwicklung, das Umdrehen zum Zweck der Selbstbetrachtung und das anschliessende Entwerfen einer Identität und eines „Ganzen“ in der ungestalten Ebbe und Flut uneingeschränkter Glückseligkeit. Dieser Zustand wird in vielen der zugleich mikro- wie makrokosmischen Schöpfungsmythen beschrieben.


Die erste Phase der Ich-entwicklung erscheint mythologisch als kosmisches Ei. In der Hindutradition ist es das Goldene Ei Brahmas ‚ das auf den Wassern des Chaos treibt: die erste zögernde Trennung bei anhaltendem Treiben inmitten dessen, was es enthält und bildet. Astrologisch ist dies die vom Mond regierte Phase, denn der Mond beherrscht die Gewässer und reflektiert die Sonne, wie das Ich das Selbst reflektiert. Das Ei wird durch die Eindrehung oder Involution des Seins geformt.