Alice hinter den Spiegeln

»Wie gefiele dir das, Mieze, wenn du in dem Haus hinterm Spiegel wohnen müßtest? Ob sie dir dort auch deine Milch zu trinken gäben? Aber vielleicht schmeckt Spiegelmilch nicht so besonders gut — aber jetzt, Mieze, jetzt kommen wir zum Korridor! Davon kann man einen winzigen Blick erhaschen, wenn man bei uns die Wohnzimmertür weit aufmacht; der Korridor ist dann dem unseren sehr ähnlich, soviel man davon sehen kann, aber dahinter könnte er natürlich ganz anders sein. Ach, Mieze! Wie schön das wäre, wenn wir in das Spiegelhaus hinüber könnten! Sicherlich gibt es dort, ach! so herrliche Dinge zu sehen! Tun wir doch so, als ob aus dem Glas ein weicher Schleier geworden wäre, daß man hindurchsteigen könnte. Aber es wird ja tatsächlich zu einer Art Nebel! Da kann man ja mit Leichtigkeit durch —«, und während sie das sagte, war sie schon auf dem Kaminsims, sie wußte selbst nicht wie, und wirklich schmolz das Glas dahin, ganz wie ein heller, silbriger Nebel.

Sogleich war Alice durch das Glas geschlüpft und flink in das Spiegelzimmer hinabgesprungen. Als erstes drehte sie sich gleich einmal um, um zu sehen, ob da auch ein Feuer im Kamin brannte, und zu ihrer großen Zufriedenheit knisterte da wirklich eins und flackerte genauso hell wie das auf der anderen Seite. »Da wird mir hier so warm sein wie in dem vorigen Zimmer«, dachte sich Alice, »und sogar noch wärmer, denn hier vertreibt mich niemand vom Feuer. Ach, wie lustig das wird, wenn sie mich hier drüben im Spiegel sehen und nicht zu mir herkommen können!«

- Lewis Carroll, Alice hinter den Spiegeln (it 97, zuerst 1872)