Beim Friseur
Ich war des Geredes des Mannes überdrüssig geworden, der mir
mit Fragen über den von mir gewünschten Haarschnitt und allerhand Ratschlägen,
wie sie diese Leute zu geben pflegen, gar zu sehr zusetzte. Ich fragte mein Spiegelbild: Wollen
wir tauschen?, es nickte, und wir wechselten sofort
die Plätze. Es war sehr angenehm für mich. Zweifellos hatte ich das bessere
Teil erwählt. Ich blickte nun meinerseits belustigt meinem ehemaligen Bilde zu,
wie es dort im Stuhle saß, wie ihm der Kopf hin und her gestoßen wurde, wie ihm
der Friseur mit einem Handbesen über das Gesicht fuhr und ihm die Haarreste in
den Kragen beförderte. Dann stand das Opfer auf, bezahlte und gab, worauf ich
sehr gespannt war, allem Anschein nach ein reichliches Trinkgeld. Damit wollte
mein Ebenbild den Laden verlassen, und auch ich gedachte mich zu entfernen,
zumal bereits ein anderer Kunde auf dem Stuhl vor dem Spiegel Platz genommen
hatte. Ich blickte mich jedoch am Rahmen des Spiegels noch einmal um und
erschrak, weil ich sah, daß der andere meine Aktentasche vergessen hatte. Ich
hatte sie beim Schirmständer hingestellt. Zum Glück fiel es dem anderen gerade
noch ein, ehe er die Ladentür schloß. Er kam zurück, und ich winkte ihm zornig
zu. Er verstand sofort, daß ich den Tausch rückgängig machen wollte, und
gehorchte. Es schien mir damals besser so, denn in der Aktentasche waren
wichtige Papiere.
- Hans Erich Nossack, Klonz. In: Ders., Die Erzählungen. Frankfurt am Main 1987 (zuerst
1948)