Entspannt und ohne Angst zur Frauenärztin

Die erste gynäkologische Untersuchung:         Ein Gespräch von «Frau zu Frau» räumt viele Unsicherheiten aus dem Weg
Der erste Besuch bei der Frauenärztin:           Viele Mädchen fürchten sich davor. Angst und Scham sind aber fehl am Platz. Denn es geht auch ohne unangenehme Untersuchungen.

Zwei junge Patientinnen erzählen.                    von Susanne Wagner redaktion@pulstipp.ch

K. H. hat schlecht geschlafen und sie sieht müde aus an diesem Mittwochnachmittag. Die 14-jährige Zürcherin hat sich die halbe Nacht Gedanken darüber gemacht, wie es ihr am nächsten Tag wohl ergehen wird - beim ersten Besuch in einer gynäkologischen Praxis. Die Adresse hat ihr die Mutter gegeben. Ihr hatte sie sich anvertraut, nachdem sie allen Mut zusammengenommen hatte.

Mit der Mutter sitzt K. jetzt auch im Wartezimmer und blättert lustlos in einer Mädchenzeitschrift. Ihr Herz klopft und ihre Hände fühlen sich feucht an. Nach fünf Minuten geht die Türe auf, die Kinder- und Jugend-Gynäkologin Francesca Navratil bittet Tochter und Mutter in den Untersuchungsraum. Doch Katja möchte ohne ihre Mutter in die Sprechstunde gehen.

Nach einer halben Stunde kommt Katja zurück und ist sichtlich erleichtert: «Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich habe gleich zu Beginn gefragt, ob ich mich auf den Stuhl legen müsse. Davor hatte ich Bammel. Aber wir haben nur geredet.» Zudem hätte ihr die Gynäkologin einen Menstruationskalender gegeben, in dem sie von nun an «ihre Tage» notieren könne.

Die Entwicklung zur Frau ist oft mit Ängsten verbunden Die Zürcher Ärztin Francesca Navratil führt beim ersten Besuch nicht immer eine gynäkologische Untersuchung durch. Schon gar nicht dann, wenn kein Grund besteht. Katja: «Ich habe Frau Navratil erzählt, dass ich unregelmässige und oft starke Menstruationsblutungen habe. Auch dass meine Brüste unterschiedlich gross sind und manchmal ganz unangenehm spannen.» Die Antwort war aber beruhigend: - Junge Frauen haben häufig verschieden grosse Brüste. - Da die Brüste im Wachstum sind, kann es zu Spannungen oder Schmerzen kommen. - Auch Weissfluss und starke Blutungen sind bei Teenagern keine Seltenheit. Fazit: Bei K. ist alles in Ordnung.
Panik vor Missbildungen teilen meist auch die Mütter, wissen die Gynäkologinnen. Manche Mutter sei beunruhigt, wenn ihre neunjährige Tochter eine Schwellung an der Brust hat und denke gleich an etwas Bösartiges. In den allermeisten Fällen gehöre dies aber zur normalen Entwicklung der Brust.

Vor der Untersuchung ein ausführliches Gespräch

Um solche Missverständnisse auszuräumen, führen die Frauenärztinnen mit den jungen Patientinnen - und allenfalls den Müttern - ein ausführliches Gespräch. Für einen ersten Besuch planen sie mindestens 30 Minuten Zeit ein. Die Basler Frauenärztin Lilian Saemann meint: «Wenn junge Frauen zur Gynäkologin gehen, beginnt in der Regel ein Lebensabschnitt, der mit dem Erwachsenwerden zu tun hat.» Für diesen Ablösungsprozess seien die Mütter keine idealen Begleitpersonen.

«Ich war froh, dass ich nie ganz nackt war»

Einen anderen Weg als Katja ging S. R. Die 15-jährige Schülerin erinnert sich: «Ich schämte mich furchtbar, weil ich einen juckenden, gelben Ausfluss hatte. Und ich habe mich nicht getraut, es jemandem zu sagen. Nicht mal meiner Mutter.» Sie fasste sich ein Herz, rief ihren früheren Kinderarzt an und erhielt die Adresse einer Gynäkologin. Zum Termin erschien sie alleine. «Das ist keine Seltenheit», meint Francesca Navratil, «viele junge Patientinnen wissen, dass wir an das Arztgeheimnis gebunden sind.»

S. erzählte ihr vom Ausfluss und davon, dass sie es nicht schaffen würde, einen Tampon in die Scheide zu schieben. S.: «Nach dem Gespräch begab ich mich auf den Untersuchungsstuhl. Ich zog zunächst Pulli und BH aus. Daraufhin tastete sie meine Brust ab und sagte, es sei alles in Ordnung. Erst als ich wieder angezogen war, bat sie mich, Hose und Slip auszuziehen. Ich war froh, dass ich nie ganz nackt war.»

Mit Hilfe eines Spiegels konnte S. ihre äusseren Geschlechtsorgane betrachten. Auch zeigte ihr die Ärztin, wie sie problemlos einen Tampon in die Scheide einführen kann. Sybille: «Vorher habe ich den Tampon zu wenig tief hineingeschoben. Ich hatte Angst, mein Jungfernhäutchen zu verletzen.»

Mit Angst verbunden - weil neu - war für S. auch die Untersuchung mit Hilfe des Scheidenspiegels. Dieses Instrument, das auch Spekulum oder Vaginoskop heisst, gibt es in speziell kleinen Ausführungen für junge Frauen. Damit kann die Gynäkologin die Scheidenwände und den äusseren Teil des Gebärmutterhalses mit dem Muttermund sehen und feststellen, ob alles in Ordnung ist.

Doch nicht alle Gynäkologinnen setzen bei einer ersten Untersuchung das Spekulum ein. Lilian Saemann verzichtet darauf. Ihrer Meinung nach sollte die erste «Penetration» nicht durch die Gynäkologin stattfinden. Zudem kann es bei Jungfrauen unangenehme Schmerzen verursachen. «Ein Mädchen soll erst dann zur Frauenärztin gehen, wenn sie von sich aus das Bedürfnis hat oder weil sie neugierig ist und Fragen zur körperlichen Entwicklung, Sexualität oder Verhütung hat», sagt sie.

Eine gynäkologische Untersuchung macht die Frauenärztin nur in Ausnahmefällen: bei schwerwiegenden Mensproblemen, unklaren Bauchschmerzen, störendem Ausfluss oder Schwangerschaft.

In der Regel kommen die Mädchen einige Male zu ihr, ohne dass ein klassischer gynäkologischer Untersuch notwendig ist. Erst wenn eine junge Frau öfters Geschlechtsverkehr hat, sind regelmässige Kontrollen angebracht. «Dabei geht es nicht einmal so sehr um den Krebsabstrich», sagt Lilian Saemann, «sondern vielmehr darum, dass wir Zeit haben, über gewisse Dinge zu sprechen, die junge Frauen sonst vielleicht mit niemandem besprechen.»