Die Vertreibung aus der Kindheit:   Das Bindungsverhalten in der Adoleszenz
Prof.Dr.med. Remo H. Largo, Universitäts - Kinderklinik Zürich


Das Bindungsverhalten in der Adoleszenz wird unter der folgenden Annahme diskutiert: Der Mensch bindet sich in jedem Alter an andere Personen; sein psychisches Wohlbefinden wird in einem hohen Masse von der Art dieser Bindungen bestimmt. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Bindungsverhalten biologisch verankert ist, in seiner Qualität durch die Erfahrungen im Verlaufe der Kindheit geprägt wird und in der Adoleszenz eine tiefgreifende Veränderung durch- macht. Im präpubertären Alter ist ein Kind bedingungslos an seine Eltern und/oder andere Bezugspersonen gebunden. Sein psychisches Wohlbefinden hängt in einem hohen Ausmass von der Qualität dieser Bindung ab. In der Adoleszenz findet nicht nur eine biologisch notwendige Auflösung dieserBindung, sondern auch eine Umorientierung im Bindungsverhalten statt.

Für denJugendlichen ist dabei die Ablösung von den Eltern weit weniger einschneidend wie für die Eltern, die dieselbe oftmals als sehr schmerzhaft erleben. Entscheidend für den Jugendlichen ist vielmehr das Ausmass, in welchem er von Gleichaltrigen angenommen wird, und ob er die Geborgenheit, die ihm die Eltern immer weniger geben können, in der Gruppengemeinschaft findet. Beziehungsschwierigkeiten mit Gleichaltrigen wie Isolation und Ablehnung können zu Verhaltensauffälligkeiten und psychosomatischen Beschwerden führen. Weil die Hauptbezugspersonen Jugendliche sind, sind Erwachsene, Eltern eingeschlossen, nur beschränkt in der Lage, diese Schwierigkeiten aufzufangen. Prävention und Intervention in der Adoleszenz sollten vermehrt darin bestehen, dem Jugendlichen den Einstieg in die Gemeinschaft der Gleichaltrigen zu erleichtern und sicherzustellen.

 

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