SAMMY, DER ELEPHANT UND MR. KAMEL                                                        zurück zum Geschichtenplatz

Aus: Therapeutische Metaphern für Kinder und das Kind in uns   von  Joyce C. Mills, Richard J. Crowley
Paperback  Carl-Auer Verlag | ISBN: 389670544x

 


Ja, da du erwähnt hast, dass du gerne Geschichten über Tiere hörst, werde ich dir eine Geschichte über ein Lieblingstier von mir (Pause), einen kleinen Elephanten. Ein kleiner Elephant, der eigentlich im Zirkus lebte. Und während ich spreche, John, hätte ich gerne, dass du anfängst zu sehen, wie sich die Geschichte entfaltet, so wie wenn du fernsehen würdest und du kannst dir deinen Lieblings-Zeichentrickfilm vorstellen oder deine Lieblings- Figuren sehen.
Und während du anfängst, es dir sehr bequem zu machen,  ja, so, kannst du dir Zeit nehmen, soviel du brauchst, um nur leicht und angenehm zu atmen. und während du da sitzt, John, atme schön tief, ganz zufrieden durch deine Nase ein und durch deinen Mund aus, als ob du eine Feder vor dir her blasen wolltest. (Pause). So ist es richtig, langsam und angenehm.


Ja, die Geschichte ereignet sich beim Zirkus Monti, in der Mitte eines unbekannten Ortes (Pause,), einer kleinen Stadt mit Feldern, die gross genug sind, um die grossen Zelte und die ganze Zirkusausrüstung aufzunehmen. Stell‘ dir vor, du hörst die Aufregung der Leute und der Tiere, während du beobachtest, wie jeder seine Arbeit macht und alles genau dorthin legt, wo es hingetan werden muss, um das grosse Zelt hochzuziehen, das alles in sich aufnehmen wird (Pause,)
- all die Leute, die Tiere, die Darbietungen, die Dompteure, die Trainer, die Jongleure, die Seiltänzer und vieles, vieles mehr. Und wie du schon weisst, John, helfen die Tiere dabei, alles zusammenzubauen. Die Tiere sind ein sehr wichtiger Teil des Zirkus. Die Elephanten werden oft gebraucht, um die schweren Wassereimer zu tragen und die riesigen, schweren Balken, die all die Zelte und verschiedenen Vorrichtungen für die Darbietungen hochhalten. Die Elephanten bewegen diese Balken und Eimer, indem sie sie mit ihrem Rüssel tragen. Und es ist erstaunlich, wenn du einen grossen Elephanten betrachtest und beobachtest, wie er einen grossen Balken trägt. (Pause,) Er macht s mit einer solchen Leichtigkeit. Stell‘dir vor, jenen Elephanten zu hören. Stell‘ dir das Geräusch vor, das ein Elephant macht, wenn er sich hinüberstreckt, um den nächsten Balken zu sehen, den er bequem tragen wird.


Alle Elephanten machen ihre Arbeit so gut (Pause,) ausser einem kleinen Elephanten namens Sammy. Klein Sammy ging wie jeder andere hinüber und nahm seinen Rüssel, legte ihn um den Griff eines grossen Wassereimers und begann, ihn hochzuheben und festzuhalten. Innerhalb einer kurzen Zeit... BUMM
... hörtest du ihn auf den Boden aufschlagen und sahst, wie er anfing zu rollen. Sammy hoffte, dass niemand bemerkt hatte, was er getan hatte (Pause,), aber die anderen fingen gellend an zu schreien (Pause,). „Was sollte das denn - er ist fast über meine Tatze gerollt!“ grollte der Löwe. „Kannst du ihn denn nicht richtig packen; kannst du ihn nicht länger festhalten wie jeder andere auch?“ brüllte der ältere Elephant.


Sammy bekam Angst. Er kam zu dem Schluss, dass er vielleicht nicht genug aufgepasst hatte, und so begann er die anderen Elephanten beim Tragen der Eimer und Balken zu beobachten. Er beobachtete sie sehr genau und ging dann zurück und versuchte es von neuem. Indem er all jene Muskeln in seinem Rüssel gebrauchte, John, legte er ihn um den Griff des Wassereimers, sah sich selbst ihn hochheben und fühlte sich innendrin richtig gut, als er weiterging, von einer Seite auf die andere schwankte und gerade dabei war, ihn dorthin zu bringen, wo er gebraucht wurde
... und BUMM ... wieder runter! Dieses Mal rollte und rollte der Eimer so weit, dass er die Sodamaschine umwarf und das Soda überallhin spritzte. jetzt war jeder sehr verärgert und aufgebracht über Sammy. „Kannst du das Wasser da noch nicht unter Kontrolle halten!“ schrieen sie gellend. Du kannst das Wasser da nicht unter Kontrolle halten (Pause,), alle anderen Elephanten können das. Sie haben es sehr gut unter Kontrolle. (Pause) Beobachte nur, was sie machen, um ihren Rüssel unter Kontrolle zu haben und wie sie tragen, was sie auch immer in ihrem Rüssel tragen.


Nun, Sammy war an diesem Punkt ziemlich frustriert. Er probierte und probierte, Tag für Tag, aber BUMM... fielen die Wassereimer herunter, jedes Mal, wenn er es versuchte. Alles, was er fühlte, war, dass die Tiere und die Zirkusleute ihn so gemein ansahen. Am Ausdruck ihrer Augen konnte er erkennen, dass sie sehr aufgebracht über ihn waren. Sammy wusste nicht, was er tun sollte, um sie zufrieden zu stellen. Er schämte sich wirklich und fühlte sich traurig. Manchmal ging er sogar allein weg und weinte. „Niemand versteht mich“, murmelte er, „niemandem liegt etwas an mir.“


Die Zeit verging. (Pause,) Eines Tages, als Sammy sehr traurig war, hörte ihn das Zirkuskamel weinen und unbewusster sagte: „Du siehst nicht sehr glücklich aus. Gibt es irgend etwas, was ich tun kann, um dir zu helfen, dich jetzt besser zu fühlen?“ Sammy antwortete: „Ich weiss nicht. Ich versuche und versuche ständig, diesen Eimer festzuhalten, meinen Teil zu tun, aber ich verschütte es andauernd. Ich lasse immer zu früh los.

Das Kamel dachte einen Augenblick nach und begann dann, Sammy an all die Dinge zu erinnern, die er schon gelernt hatte, seitdem er im Zirkus war. Das Kamel sagte: „Als du geboren wurdest, konntest du nicht gleich gehen. Es gab eine Zeit, in der deine Beine wacklig waren. Du musstest lernen, jeden einzelnen Schritt zu machen, einen nach dem anderen. Zuerst war das eine schwere Zeit für dich, aber du hast weiter geübt und gelernt. Nach einer Weile lerntest du, mit Erfolg zu gehen. Du lerntest auch, wie man Gras mit dem Rüssel aufnimmt und frisst. Du lerntest, ganz alleine zu fressen. jetzt kann dein Rüssel genau die richtige Menge Nahrung tragen, um dich vollkommen zufriedenzustellen, so dass du dich gut fühlen kannst. Du lerntest zu erkennen, wann du dich satt und angenehm fühlst. Du fühlst dich innerlich so gut und du kannst dich darüber wundern, wie lange du an diesem guten Gefühl für eine lange, lange Zeit festhalten kannst, Sammy.“ (Pause)


Sammy dachte einige Minuten lang nach und antwortete dann...ja, daran erinnere ich mich.“

 

                [Das Kamel wird eingeführt, um den Teil von John zu personifizieren, der über die Fähigkeiten, Lernerfahrung und Ressourcen verfügt, die zur Bewältigung des Problems nötig         sind. Zusätzlich werden Suggestionen eingestreut, die vergangene Lernerfahrungen mit Erfolg und Wohlbefinden assoziieren. Das erfüllt einen doppelten Zweck: (1) befriedigt   es die logischen Denkmuster des bewussten Verstandes (Oh, s stimmt, ich habe gelernt, alle diese Dinge erfolgreich zu bewältigen; das heisst, ich kann lernenauch andere            Dinge erfolgreich zu bewältigen), während es (2) die unbewusste Suche nach Möglichkeiten anregt (Erickson u. Rossi, 1979), jene vergangenen Erfolge auf das gegenwärtige           Problem anzuwenden.]


Das Kamel fuhr fort: „Es ist wie bei dem Radfahrer hier ganz oben in der Spitze. Ich erinnere mich an Jahre zuvor, als er noch nicht einmal radfahren konnte. Er stieg auf sein Rad und fiel herunter. Es war wirklich so, dass ihm jemand beibringen musste, wie man sich an den Griffen richtig  festhält. Er musste das Festhalten eine lange Zeit üben. Und nachdem er das Festhalten gelernt hatte, konnte er sich entspannen und das Gefühl des Loslassens geniessen. Wenn du ihn heute später beobachtest, Sammy, dann achte auf seinen Gesichtsausdruck und den Spass, den es ihm macht, sein Rad unter Kontrolle zu haben.   


Wenn ich dir so vom Radfahrer erzähle, “ sagte das Kamel nachdenklich_ erinnert mich das auch an den Jongleur hier im Zirkus. Ich erinnere mich daran, dass er, als er herkam, nur mit zwei kleinen Keulen jonglieren konnte. Jetzt kann er mit grossen Keulen und Tellern jonglieren und alle miteinander vermischen. (Pause) Er kann mit Bällen, Keulen und Tellern, mit allem gleich zeitig jonglieren, während er auf dem Fahrrad fährt. Sein Gleichgewicht ist perfekt. Er weiss genau, wann er jedes einzelne dieser Dinge loslassen und festhalten muss. Du musst nur darauf vertrauen, dass du es kannst. (Pause) Manche Dinge brauchen etwas mehr Zeit als andere, bis man sie gelernt hat, und du hast alle Zeit der Welt, die du brauchst, um das jetzt zu lernen.“ (Lange Pause)


Plötzlich hörten Sammy und das Kamel Sirenen. Sie blickten auf und sahen Flammen in der Ferne. „Es sieht aus, als ob bei dem Bauernhaus weit da hinten ein Feuer wäre“, sagte das Kamel. Aber die Feuerwehr wird den Zugang nicht passieren können, weil die Brücke weggeschwemmt worden ist. Die einzige andere Möglichkeit, das Feuer zu löschen, ist, dass die anderen Elephanten Wasser in ihren Rüsseln hintragen und auf das Feuer sprühen. Aber sie sind mit dem Dompteur auf der anderen Seite der Stadt beschäftigt, um sich auf die Parade später vorzubereiten.“


Klein Sammy sah das Kamel ziemlich neugierig an und sagte: „Nun, was sollen wir machen?“ Das Kamel antwortete: „Das liegt jetzt an dir. ‘Wie meinst du das?“ fragte Sammy. Das Kamel sagte: „Ich werde dir etwas Wichtiges beibringen. Wie du weisst, tragen Kamele Wasser für eine lange, lange Zeit. Ich werde dir beibringen, wie man das macht, so dass du auch Wasser. eine lange Zeit hindurch tragen kannst. Und wenn du das erst einmal knien kannst, wirst du zum See hinübergehen können, deinen Rüssel hineinhalten, dich selbst hören sehen, wie das ganze Wasser durch deinen Rüssel hindurchgeht und es für einen langen Zeitraum erfolgreich  festhalten. Dann kannst du dich dort entlang gehen sehen, bis dahin, wo das Feuer ist und dich das Feuer löschen sehen, indem du das Wasser    genau zur richtigen Zeit loslässt. Nicht einen Kilometer vorher, nicht einen halben Kilometer vorher, nicht einmal sechs Meter vorher
- sondern nur, wenn du genau an der richtigen Stelle bist. Dann kannst du mit deinem Rüssel zielen und das ganze Wasser (lange Pause) „Erinnere dich einfach daran (Pause), wie du einmal an einem besonders glücklichem Gefühl besonders lange festgehalten hast (Pause,). Oder vielleicht hast du lange die Aufregung über die Frage mit dir herumgetragen, was für ein Geschenk du an deinem Geburtstag bekommen würdest. Da jeder weiss, dass Elephanten gute Erinnerungen haben und sich immer an alles Wichtige erinnern (Pause,), erinnere dich an etwas Wichtiges, das du vor langer Zeit gemerkt hast und jetzt immer noch glücklich mit dir herumträgst. “(Lange Pause,)


„Nachdem ich Euch zugehört habe, Mr. Kamel, “ sagte Sammy, „habe ich das Gefühl, ich kann mich selbst das alles tun sehen. (‘Pause,) Ich fühle, ich kann es jetzt tun“ (lange Pause).

 Also gingen das Kamel und Sammy zum See hinüber und Sammy nahm soviel Wasser auf, wie er bequem behalten konnte. (Pause,)
Dann begann der lange Marsch hinüber zum Feuer. Sammy  schaffte den ganzen Weg bis um Feuer und genau wie das Kamel gesagt hatte, ließ  Sammy das ganze Wasser genau ur richtigen Zeit und am richtigen Ort los. Gerade das Geräusch des Wassers, das ur richtigen Zeit das Feuer trifft, gab ihm ein so glückliches, freudiges Gefühl innendrin. Sein Gesicht leuchtete auf als er alle in die Hände klatschen und jubeln hörte. „Hurra, Sammy, du hast es getan.“ riefen alle aus. Sammy fühlte sich um ersten Mal seit langer Zeit als etwas Besonderes. Es wurde in der Lokalzeitung lobend über ihn, seine besondere Fähigkeit und sein besonderes Talent berichtet
- (Pause) - fähig zu sein, das Wasser eine so lange Zeit festzuhalten und genau zu wissen, wann und wo es Zeit war, alles erfolgreich loszulassen.


Während die Tage vergingen, konnte Sammy andere Fähigkeiten entdecken, die er vergessen hatte. Er dachte bei sich:“ Wenn man erst einmal weiss, wie man das Wasser festhält (Pause), kann man alles erfolgreich festhalten.“ Genau in dem Moment ging das Kamel vorbei. Sammy sah es und rief: „Sieh her‘ Er ging zum Hauptzelt hinüber, hob einen schweren Holzbalken auf und brachte den Balken den ganzen Weg hinüber zur Zeltmitte, wo er hingehörte. Als er ihn sanft herunterliess, fühlte er sich innerlich so gut.


Er sah sich selbst den Balken sicher loslassen und hörte ihn sanft auf dem Boden aufkommen. Das Kamel lächelte Sammy an und sagte: „Du hast das gelernt und
vieles, vieles mehr.
Und wenn du weiter ein Teil dieses Zirkus bleibst, ein wichtiger Teil, wirst du weiterhin  jeden Tag mehr und mehr lernen.“ Wochen später, als Sammy gerade spielte, sah er das Kamel wieder. Das Kamel erinnerte Sammy: „Irgendwann, wenn du dich selbst irgend etwas in der Zukunft tun sehen möchtest, erinnere dich nur an all die wichtigen Dinge, die du gelernt hast (Pause). Du kannst alles andere, was du brauchst, lernen, indem du dir nur deine Zeit nimmst und an jenen glücklichen Erinnerungen festhältst.“ Sammy sah das Kamel an, nickte mit dem Kopf und sagte: „Vielen Dank, Mr. Kamel, dass Ihr mich an etwas erinnert habt, was ich schon immer wusste.“

 

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