Engel Namenlos                                          zu den arbeitslosen Engeln

 

 

Während Du bequem im warmen Sand liegst, ziehen weisse Wolken am blauen Himmel vorbei, quellen auf, schrumpfen wieder, schieben sich eine über die andere; ein friedliches Bild ist es, und Du fragst Dich, wie das denn ist mit den Engeln, wenn nicht Weihnachszeit ist, sondern Sommer, wie jetzt.

Es gibt Weihnachtsengel, Osterengel und Kirchenengel zu Hauf; gibt es auch Sommerengel? Verstecken  die sich in den weissen Wolken? Oh, ich wüsste Dir da eine Geschichte von einem ganz besonderen Engel, wenn Du mir zuhören magst:

 

Der junge Engel Namenlos war so bedeutungslos, dass er nicht einmal einen Namen hatte. Er wanderte langsam fliegend von Wolke zu Wolke, lungerte herum und wußte nicht, was er mit seiner Zeit tun könnte. Eines Tages sprach der liebe Gott zu ihm: „He Du, Engel, Du bist jetzt alt genug, um zu den Menschen zu fliegen und ihnen zu helfen.“

Engel Namenlos wagte nicht, etwas zu sagen. Er machte sich auf den Weg, und flog, und flog mit weiten Flügelschlägen der Erde zu, bis er von weitem ein langes graues Band erkannte. Das war eine Autobahn.

 

Er sah Einen Strom von Autos in die eine Richtung fahren, und einen Strom von Autos in die andere Richtung.

 

Er hielt Ausschau - nach Menschen -  und sah Autos - und Autos.

 

Da sah er eine Brücke über die Autobahn und setzte sich darauf nieder, und er sah ein Auto nach dem anderen, und noch eins - und noch eins, in diese, und noch eins, und noch eins, in die andere Richtung fahrend, und wusste nicht, wohin.

 

So flog er denn wieder zurück in den Himmel und berichtete dem lieben Gott: „Ich habe keine Menschen gefunden, nur Autos - und Autos - und Autos...“

 

„Du wirst Menschen finden, wenn du den Autos folgst. Flieg nochmals hin, versuch's nochmals“

 

Der Engel schwebte hin, fand wieder die Autobahn, und flog mit langen Flügelschlägen in sicherem Abstand über dem Autostrom, der Sonne entgegen, bis er eine Raststätte erkannte. Dort stiegen Menschen aus den Autos und gingen ins Gebäude, worauf stand: Mac Donald's, und weil er hungrig war, fragte er an der Theke: „gibt's hier zu Essen?“ „Hamburger!“, war die Antwort.

 

Eingeschüchtert fragte der Engel: „Sind wir hier in Hamburg?" und erhielt zur Antwort: "willst Du?“  und der Mann streckte ihm einen Hamburger entgegen. Der Mann an der Theke erkannte den Engel zwar als Sonderling, interessierte sich aber eigentlich nicht für ihn.

 

Der Engel setzt sich an einen Tisch und isst seinen Hamburger mit dem seltsamen Gefühl, dass er nicht weiss, was er isst, dass er nicht weiss, wo er ist, dass er nicht weiss, was er soll. Er fühlt, daß der Hamburger nicht seine Nahrung sein kann, denn, Engel essen keine Hamburger…

Es wird ihm speiübel, mies fühlt er sich, und will nach Hause, das heißt, in den Himmel..

 

Mit lahmen Flügeln fliegt er müde in den Himmel  zurück und klagt beim lieben Gott: „DIE ESSEN ihre Tiere !“

 

Da spricht der liebe Gott: "ich weiss, ich weiss,  es ist nicht alles so, wie es sein sollte, meine Schöpfung ist noch nicht vollkommen, ich bin noch an der Arbeit."

 

Und der Engel fragt: "was soll ich denn tun für diese Menschen? Und der liebe Gott: "was KANNST du für sie tun?

 

Da fällt der Engel in einen tiefen, tiefen Schlaf, und träumt von einem Menschen, dem er helfen könnte. Und als er am Morgen erwacht, hat er neuen Mut, und neue Kraft, und fliegt mutig und erwartungsvoll der Erde entgegen. Da sieht er von weitem DICH, an diesem weißen Sandstrand liegend, versunken in Deine Gedanken, nähert sich, fast lautlos, mit weichen Flügelschlägen, und setzt sich zu Dir..

 

„Ich bin der Engel Namenlos“, sagt er leise, „und wer bist Du?“  Du bist sprachlos, und denkst für Dich: Besuch von einem Engel, gibt es das? Und schliesslich sprichst Du mit ihm. „Warum bist Du denn namenlos?“

Der Engel erzählt Dir seine Geschichte, wie er sich langweilte im Himmel, wie er nicht ernst genommen wurde, wie er nicht einmal einen Namen bekommen hätte. Er denkt, vielleicht könnest Du, wenn er Dir als Schutzengel helfen könnte, könntest Du, bitte, ihm einen Namen geben? Ja, so eine richtige Engelstaufe? Und Du überlegst Dir, wie denn so ein Engel heissen könnte, ein Engel, der extra für Dich so daherzufliegen kommt, Dein ganz privater Schutzengel, also da kommen Dir verschiedne Namen von Buben und Mädchen, von Frauen und Männern in den Sinn, aber auch ganz spezielle Engelsnamen, und auch Namen von Pflanzen, und von Tieren, und von Helden, oder von sagenhaften Gestalten. Von Archibald bis Rosmarin, von Gabathul bis Dolimur, ja, es gibt keine Grenzen, und mit der Zeit ergibt sich etwas wie eine Hit-Liste, und sobald Du siehst, wie Dein Engel heissen soll, gibst Du mir ein Zeichen mit Deinem rechten Zeigefinger, ein ganz feines Zeichen, ja,genau so.

Und jetzt, da Du den Namen Deines Engels gefunden hast, kniet ihr beide hin zum Wasser, das in kleinen Wellen glasklar über den weissen Sand läuft, Du nimmst mit Deiner hohlen Hand etwas Wasser, leerst es über den Kopf Deines Engels und gibst ihm den Namen, den Du alleine weißt und niemand sonst. Ein riesiges Glücksgefühl überströmt das Gesicht Deines Engels; er bedankt sich bei Dir, verabschiedet sich mit dem Versprechen, bald wieder zu kommen.

Du nimmst ein par tiefe Atemzüge, bewegst Deine Hände und Füsse, reibst Dir die Augen, öffnest sie und sagst: JETZT bin ich wieder hellwach und munter...

 

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